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Neulich
im Internet
eine
wahre Geschichte
(von Oliver Kollatsch)
Kommentar des Autors: "Vermutlich werden sie die folgende
Geschichte nicht für wahr halten. Ich kann Ihnen aber
versichern, daß sie sich tatsächlich so
zugetragen hat. Genauer gesagt, erlebe ich das alles
eigentlich immer wieder. Fast täglich! Vielleicht geht
es Ihnen ähnlich?"
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Wenn ich immer nur am
Krachmacher-PC sitze, ...
... dann macht mich das irgendwann echt kaputt. Ab
und zu muß ich mal raus aus der Bude, um
wieder neue Energie zu tanken. Also verließ
ich vor ein paar Tagen die Wohnung, um ein
bißchen spazieren zu gehen.
Mein Spaziergang führte mich vorbei an der
Straßenkreuzung mit der großen
Werbetafel. Ich konnte nicht glauben, was auf
dieser Werbetafel geschrieben stand:
"Herbert Hinze: Hallo! Ich habe jetzt eine
Wohnung! Besucht mich doch mal!" Und darunter
stand noch: "Kostenloses gibt's bei
Herbert!"
Da macht einer Werbung dafür, daß ihn
jemand in seiner Wohnung besucht? Und es gibt was
Kostenloses? Das hörte sich doch ziemlich
blöd an! Und so war mein Interesse
geweckt.
Es ist eigentlich nicht meine Art, einfach
unangemeldet jemanden zu besuchen, aber wenn er
dafür sogar Werbung macht!
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Die Wohnung lag ganz in der
Nähe.
Herbert öffnete die Tür und bat mich
herein. Noch bevor ich auch nur einen einzigen
Schritt in die Wohnung gemacht hatte,
schüttete Herbert eine große Tüte
Kekse über meinem Kopf aus. Und dann noch
weitere 20 Tüten. Ich hatte es mit einem
Bekloppten zu tun, das wußte ich sofort!
Unterlegt mit nervtötender, lauter Musik
aus seiner Stereo-Anlage teilte mir Herbert
sodann mit: "Hallo, Du bist der 4236-ste Besucher
meiner Wohnung seit dem
27. November 1996!"
Sehr verwirrend. Da setzte Herbert noch eins
drauf: "Diese Wohnung ist optimiert für
Menschen mit Schuhgröße 50.
Schuhgröße 50 - jetzt!" Ich
hatte nur Schuhgröße 43, blieb aber
trotzdem. Es sollte doch etwas Kostenloses bei
Herbert geben!
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Was waren denn das für
bunte Schilder an den Wänden?
Ich bewunderte die vielen Werbe-Schilder, die
im Flur hingen, als mir Herbert plötzlich ein
(ganz sicher geklautes) Baustellen-Schild vor
die Nase hielt: "Diese Wohnung wird gerade
renoviert!" Das konnte man allerdings sofort
erkennen.
Ich betrat das Wohnzimmer, das ebenfalls mit
Werbe-Schildern zugehängt war,
während mir Herbert in aller Ruhe
erzählte, wie er heißt (das wußte
ich schon), warum er eigentlich diese Wohnung
hätte (das wollte ich gar nicht wissen), was
er gerne machen würde (furchtbar!), und wen er
so alles kennen würde (nur Menschen mit
Verbrecher-Namen).
Das dauerte eine ganze Weile und endete dann mit
der Aufforderung: "Trag Dich in mein Gästebuch
ein!"
Uff! Ich ignorierte das ganz frech und wurde auf
einen ganzen Stapel von Zeitschriften
aufmerksam.
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Diese Zeitschriften sahen sehr
informativ aus.
Ich fand:
Magazine und Zeitungsauschnitte über
"Star Trek", "Akte X" und
"Babylon 5". Bücher über
Kochrezepte, Autos und Mountain-Bikes. Weiterhin
ein Foto-Album mit unzähligen Baby-Fotos,
und besonders erwähnen möchte ich an
dieser Stelle die vielen Hefte mit den Blondinen-Witzen.
Nackt-Heftchen gab es bei Herbert leider nicht.
Sein Kommentar dazu: "Da mußt Du eine andere
Wohnung besuchen!" Eine entsprechende Wohnungs-Adresse
konnte er mir allerdings nicht nennen.
Als ich ein Heft, auf dem das Wort "Java" stand,
in die Hand nehmen wollte, blendete Herbert mich
geschickt mit einer großen Taschenlampe.
Dabei tanzte er wild um mich herum. Ich wartete
geduldig, bis er sich abreagiert hatte.
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Dann wurde es interessanter:
Auf einem großen Tisch entdeckte ich viele
Pokale und Preise. Und Herbert wurde ganz stolz!
Alle diese Pokale (er nannte sie "Ewalds")
hätte er schon für seine Wohnung
bekommen! Pokale für eine Wohnung?
Auweia! Diskret schob Herbert einen Mülleimer,
in dem auch einige Pokale waren, beiseite. Dann
durfte ich mir mal die Inschriften der Pokale auf
dem Tisch ansehen:
Wir haben uns Deine Wohnung angesehen. Sie
ist sehr sauber. Wir geben Dir dafür den
Saubermann-Äward in Gold!
Ich gebe Dir den Living-Room-Äward
in Bronze. Deine Tapeten sind schön. Besuche
bitte auch meine Wohnung.
Die Deckenbeleuchtung Deiner Wohnung hat mich
überzeugt. Dafür gebe ich Dir den
Apartment-Äward 1997 in Gold!
Wir finden Deine Wohnung zum Heulen gut,
dafür bekommst Du von uns den Heul-Äward!
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Doch es kam noch besser:
Herbert erzählte mir, daß er nun auch
einen eigenen "Tschät-Ruum" in seiner Wohnung
hätte. Er hätte nämlich
festgestellt, daß die Wände seiner
Wohnung ziemlich dünn seien, und zuerst
hätte er sich darüber geärgert. Dann
hätte er aber das Beste daraus gemacht. Er
hätte jetzt einen "Klo-Tschät" mit seinem
Nachbarn.
Zuerst fand ich es dämlich, durch die Wand
mit dem Nachbarn zu reden, aber dann packte auch
mich im "Klo-Tschät" das Fieber. Der Nachbar
hatte gerade eine längere Sitzung, und wir
redeten stundenlang nur Scheiße.
Am Ende rief der Nachbar ein "LOL" durch die
Wand, und Herbert erklärte mir schnell,
daß das unter Tschättern ein Geheimcode
sei, der soviel wie "Labern oder Lügen"
bedeute. Ich fühlte mich ertappt und beendete
schnell das Gespräch.
Herbert nervte mich wieder mit: "Trag Dich in
mein Gästebuch ein!" Und so sah ich mir das
Ding dann halt mal an.
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Im Gästebuch standen schon
ziemlich viele Eintragungen, ...
... die allerdings selten aus mehr als einem
einzigen Satz bestanden.
Bernd:
Ich finde Deine Wohnung toll! Besuch doch mal
meine Wohnung!
Hugo:
Weil Du Dich in mein Gästebuch eingetragen
hast, schreibe ich jetzt auch was in Dein
Gästebuch.
Michael:
Ich habe mir Deine Wohnung angesehen. Geil!
Weiter so!
Thomas:
Du hast eine echt coole Stereo-Anlage!
Suuuuuuper!
Tanja:
Am besten hat mir Deine Küche gefallen. Der
Kühlschrank ist eine gute Idee!
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Ich war viele Stunden lang
geblieben.
Das war alles sehr interessant, aber auch
anstrengend. Der Grund meines Besuches fiel mir
nicht mehr ein, und so verabschiedete ich mich
schließlich.
Herbert drückte mir noch eine Liste mit
circa 1000 Adressen von anderen Wohnungen in die
Hand: "Die kannst Du auch alle mal besuchen."
Dann weinte er plötzlich: "Du hast Dich
noch nicht in mein Gästebuch eingetragen!"
Also, tat ich das noch schnell:
Hallo, Herbert. Ich habe mir Deine Wohnung
gründlich angesehen. Am besten hat mir das
gefallen, was Du in Deinem Mülleimer versteckt
hältst.
Herbert war sauer. Er gab mir dann aber trotzdem
noch etwas Kostenloses. Ach ja! Ich bekam von ihm:
Ein Stück Rauhfaser-Tapete für
meine Wohnung.
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